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Irrsinnige Arbeitsmarktpolitik

Die letzten Berichte über die Arbeitslosenzahlen in Nürnberg stammen aus den Monaten Juli und August diesen Jahres.
Im Artikel „Junge Arbeitslose sollten Chancen jetzt nutzen“ vom 26. 08.13 konnten wir in den Nürnberger Nachrichten lesen:

„Aufgrund der demografischen Entwicklung wird das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial, die Gesamtzahl von Personen in Deutschland, die theoretisch in der Lage sind, einer Arbeit nachzugehen, bis zum Jahr 2025 um rund 6,5 Millionen Personen sinken. Damit sinkt auch das Angebot an qualifizierten Fachkräften. Gut ausgebildete Mitarbeiter werden daher in Zukunft, insbesondere durch den zunehmenden Fachkräftebedarf, verstärkt gesucht.“

Ich möchte dieses Zitat gerne zum Anlass nehmen, meine Situation zu schildern, die mich grade sehr stark an der Logik innerhalb der deutschen Arbeitspolitik zweifeln lassen:
Ich habe nach dreijähriger Ausbildung grade erfolgreich meine Ausbildung zur Physiotherapeutin abgeschlossen und bin nun natürlich auf der Suche nach einem Arbeitsplatz.
Wer sich ein wenig mit der Arbeitsmarkt-Situation für Physiotherapeuten auskennt, der weis das es, begründet durch die Gesundheitspolitik und durch die Vorgaben der Krankenkassen, auch und grade für Berufsanfänger wichtig ist, Fortbildungen zu machen, die die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.

Besonders wichtig sind für Berufseinsteiger hier die Fortbildungen in Manueller Lymphdrainage (MLD) un z.T. auch Manueller Therapie.
Besonders die Fortbildung in MLD gilt mittlerweile als zwingende Voraussetzung, um überhaupt eine Anstellung zu finden.

Doch nicht jede_r frischgebackene Physiotherapeut_in hat die finanziellen Möglichkeit, gleich im Anschluss an die oft kostenintensiven schulische Ausbildung 1200-1400€ aus  dem Ärmel zu schütteln.
Und nicht jeder (potentielle) Arbeitgeber ist dazu bereit, dem Berufsanfänger gleich die Weiterbildung zu finanzieren, zumal dies für ihn bedeutet, das der grade frisch eingestellte Therapeut gleich mal vier Wochen am Stück für die Arbeit ausfällt, um den Kurs zu besuchen.

Da die MLD zu den Weiterbildungen gehört, die eigentlich als vom Arbeitsamt förderungswürdig gelten, habe ich mich per eMail noch vor meinem Staatsexamen an die Bundesagentur für Arbeit Fürth gewandt, in der Hoffnung, dort Hilfe oder zumindest eine Beratung zu erhalten.
Nachdem auf die eMail erst keine Reaktion kam, rief ich dort an, doch konnte die nette Dame nichts weiter machen, als erst Mal meine Daten aufzunehmen.
Ein paar Tage später erhielt ich dann eine Antwort per eMail, in der mir nur mitgeteilt wurde, dass die Weiterbildung nicht mehr gefördert werden würde.
Auf meine Bitte um ein persönliches Beratungsgespräch wurde erst gar nicht eingegangen.
Erst nach weiterem Nachfragen erhielt ich dann die Information, dass es seit 2011 keine Unterstützung durch Fürther Bundesagentur für Arbeit mehr gebe.

Ich kenne nun mittlerweile den Arbeitsmarkt in Nürnberg und Fürth und kann sagen, dass von den acht seit dem 01.10. veröffentlichten Stellenanzeigen im Umkreis Fürth-Nürnberg eine einzige Stelle dabei ist, in der eine Fortbildung in Manueller Lymphdrainage und Manueller Therapie NICHT zwingend erforderlich ist.
Das Erschütternste jedoch ist: Ich hätte sogar Arbeitsstellen in Aussicht. – Wenn ich die Fortbildung hätte.
Nach dem Anruf eines potentiellen Arbeitgebers bin ich noch mal persönlich zum Arbeitsamt, in der Hoffnung auf eine persönlichere Beratung und darauf, dass es nicht vielleicht doch eine Fördremöglichkeit gebe.-Schließlich würde dies sofort meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, und mir gestatten, gleich in Arbeit zu kommen.
Beim Arbeitsamt nahm man mein Begehren auf und versprach, dass sich die zuständige Sachbearbeiterin bei mir melden würde.
Dies geschah heute tatsächlich.
Nachdem mich die Dame am Telefon fragte, ob wir das Thema nicht bereits per eMail besprochen hätte, schilderte ich ihr, dass die Situation nun so aussähe, das ich die Ausbildung abgeschlossen und nun die Chance auf Arbeit hätte, aber nur dann, wenn ich das Zertifikat in Manueller Lymphdrainage habe.
Sie entgegnete mir, das sie mir keine andere Antwort geben könne als die, das des für die MLD keine Fördermöglichkeit gebe.
Es sehe ja auch auf dem Arbeitsmarkt so aus, dass es für Physiotherapeuten ja genügend Arbeitsstellen gebe, in denen dieses Zertifikat nicht notwendig sein würde. Auf meinen Einwand, das die Plätze sehr rar gesät seien und der Arbeitsmarkt in Nürnberg, Fürth, Erlangen und Umgebung da eine total andere Aussage geben, kam die recht lapidare Antwort, das es sicherlich schwierig, aber nicht unmöglich sei.
Sie könne mir da nicht helfen, sie habe die Regelungen nicht gemacht und es sei letztlich die Schuld der Schulen, wenn sie nicht dafür Sorgen würden, das ihre Absolventen nicht ausreichend auf den Arbeitsmarkt vorbereitet seien.
Wobei letzte Aussage auch einfach ihr Unwissen über die Sachlage weiter bescheinigt.
Auf meine Frage, ob sie mir denn sagen könne, ob und welche Weiterbildungen für Physiotherapeuten von der Bundesagentur in Fürth gefördert werden würden, gab sie mir die Antwort, dass physiotherapeutische Weiterbildungen generell nicht mehr gefördert werden würden., was mir dann vollends die Sprache verschlug.

Ich frage mich wie es sein kann, das arbeitswillige Berufsanfänger, die eine gute Chance hätten in eine Anstellung zu kommen, gradezu gezwungen werden, ihrem potentiellen Arbeitgeber absagen zu müssen: „Sorry, aber wir kommen wohl nicht zusammen, ich habe jetzt und in nächster Zeit nicht die Möglichkeit, die erforderlichen Qualifikationen zu erwerben“?
Wie kann es sein, dass über Fachkräftemangel gejammert wird, das darüber lamentiert wird, das „gut ausgebildete Mitarbeiter“ “ in Zukunft, insbesondere durch den zunehmenden Fachkräftebedarf, verstärkt gesucht“ werden, aber es in bestimmten Bereichen keine Hilfen gibt, das man zu einer Fachkraft wird?

Ich bin mir sicher, dass ich nicht die einzige Physiotherapeutin bin, die grade ihren Abschluss gemacht hat, oder auf der Suche nach finanzieller Unterstützung ist, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern,  und die grade diese erschütternde Erfahrung macht.

Es ist gradezu ein Skandal, dass Menschen der Sprung in eine geregelte feste Arbeit, mit einem gesicherten Einkommen und die in das Sozialsystem einzahlen, verwehrt wird. Und es grenzt grade zu an Zynismus, wenn man dies auch noch damit begründet, dass ja schließlich die, wenn auch geringe-aber wer möchte da denn so kritisch sein, Möglichkeit bestünde eine Arbeitsstelle zu finden, in denen diese Zusatzqualifikationen nicht gefordert sind.

Mein Mann und ich können uns derzeit die Eigenfinanzierung des Kurses nicht leisten.
Den Arbeitsstellen musste ich jetzt mitteilen, dass es mit dem Zertifikat auf unbestimmte Zeit nichts wird.-Bedauerlicher Weise.
Eigentlich hatte ich nicht vor, „Vadder Staat“ auf der Tasche zu liegen. So viel andere Möglichkeiten werde ich wohl allerdings erst Mal nicht haben. :-s

Trotz der ziemlichen Enttäuschung und ja, auch eines gewissen Ärgers, werd ich versuchen, mich nicht ins Boxhorn jagen zu lassen und vielleicht doch noch der Situation etwas Positives abzugewinnen.
Wer weiss wozu das gut sein soll.

Siat


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